Sonntag, 1. Oktober 2006

Manche Menschen

Montagmorgen. Ich schlendere mit meiner Mama durch die Einkaufspassage, als sich unsere Blicke treffen. Gewaltige Erinnerungen und Gefühle durchströmen und elektrisieren mich. Augenblicklich muss ich zur Seite schauen.
Die rhetorische Frage erscheint aus dem Nichts: War er es wirklich? Meine Augen blitzen hastig auf und suchen ihr Ziel im Gesichtermeer. Da! Ja, er ist es wirklich: D. Auch nach all den Jahren hat er sich doch kaum verändert. Selbst unter Milliarden von Menschen hätte ich ihn immer wieder erkannt.
Einen kurzen Moment überlege ich, ob er mich wohl überhaupt noch kennt noch erkennt, doch im selben Augenblick lese ich die Antwort in seinen lächelnden Augen. Diesen schönen Treibsandaugen. Wie viele Frauen sind in diesen Augen wohl ertrunken? Ich weiß es nicht genau, doch es waren viele! Viel zu viele.

Ich erinnere mich an den Tag, an dem wir uns kennen und lieben gelernt haben:
Es war ein Samstagabend im Spätherbst und ich war jung, - noch nicht einmal volljährig.
Mit ein paar Freunden rockte ich die Schützenhalle im Nachbarsdorf und stellte mich zu fortgeschrittener Stunde an den Tresen, um eine neue Runde zu bestellen. Ich weiß noch, dass ich an diesem Abend nicht in allerbester Stimmung war. Vermutlich hatte ich meine Tage, oder was weiß ich. Zumindest war ich kurz vorm Platzen, als es die schwuchtelige Tresentucke wagte, mich zum dritten Mal in Folge zu übersehen und ich wappnete mich bereits zum Angriff, als er endlich ganz langsam in meine Richtung eierte.
In diesem Moment drängelte sich das skrupellose Arschloch vor. Er stieß mich einen halben Meter zur Seite und lenkte den Blick der Schwulette auf sich und bestellte sich eine Cola.
Die schockbedingte, kurzzeitige Lähmung wich zum Glück schnell aus meinen Gliedern und ich bündelte meine miese Stimmung mitsamt der aufköchelnden Wut auf diese eine Person. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr was ich ihm alles vorwarf und wie laut ich tatsächlich fluchte. Aber er hörte sich alles in Ruhe an, neigte seinen Kopf ein wenig und…er lächelte! Unglaublich aber wahr. Und während ich mich so daran zurück erinnere, denke ich, dass alles mit diesem einen Lächeln begann. Es war halt ein magisches Lächeln.

Dann weiß ich noch, dass wir diskutierten, debattierten, ganze Grundsatzdiskussionen führten. Schließlich ließen wir uns auf das banalste Thema der Welt, den ewigen Machtkampf zwischen Mann und Frau, nieder und starteten den lächerlichsten Feldversuch aller Zeiten. Ich forderte und er wählte die Waffe. Wir zahlten getrennt und tranken gemeinsam. Whisky-Cola im Viertelstundentakt. Vermutlich gereichte es mir zum Vorteil, dass er als Sportler nichts vertrug und ich zu der Zeit ziemlich trinkfest war. Auf jeden Fall gab er auf. Untern Tisch gesoffen. Verloren. Bätsch! Er stand auf kesse Frauen =)
Vom Rest des grandiosen Abends weiß ich dann absolut gar nichts mehr. Filmriss deluxe! Doch seine Nummer, die hatte ich am nächsten Morgen in der Tasche und das war ja das wichtigste.

Die Erinnerungen hatten ein sanftes Lächeln an meinen Mundwinkel gezaubert.
D. war ebenfalls mit seiner Mutter im Kaufhaus. Ich sah sie kurz an und stellte fest, wie sich große Fragezeichen in ihr Gesicht bohrten. Versuchte sie sich zu erinnern? Ich musste unerwartet glucksen, - sie würde niemals darauf kommen. Einmal hatte sie mich nach Hause gefahren und das vor vielen, vielen Jahren. Wie unwirklich das heute doch alles war.
Er war jetzt ganz nah. Hätten wir unsere Arme ausgestreckt, wir hätten uns berühren können. Doch natürlich taten wir das nicht. Stattdessen hauchten wir ein zeitgleiches „Hi“, dass meine Mama aus ihrem verträumten Schaufensterblick riss.

Während wir aneinander vorbei traten, dachte ich an das Ende:
Wir hatten viel telefoniert, uns jedoch nicht wirklich oft getroffen. Vielleicht 2 oder 3 Male in irgendwelchen Cafés. Wir haben Zärtlichkeiten ausgetauscht und natürlich war ich verliebt. Irgendwann war wieder Party in der Schützenhalle und wir trafen uns dort. Meine Eltern wussten das übliche: ich war bei einer Freundin. Ja klar!
Stattdessen ging ich mit zu ihm, doch ich war noch so jung. Es ging mir alles viel zu schnell und er wusste so genau was er wollte. Ich tat das einzig richtige und ließ mich nicht vögeln. Zum Glück.
Seine Mutter brachte mich am folgenden Tag heim. Sie stellte keine Fragen.
Es war nicht das offizielle Ende, aber irgendwie hatte es in dieser Nacht wohl seinen Anfang genommen. Als ich ihn dann wenige Tage später mit der Schlampe rumhuren sah, war es nur noch eine förmliche Sache. Die obligatorische Ohrfeige. Wie das halt so ist.

Ich drehte mich noch einmal um und wunderte mich nicht, dass er dasselbe tat. Er grinste über das ganze markante Gesicht und zwinkerte mir frech mit seinem schönen Auge zu. Ich streckte ihm die Zunge raus und musste herzhaft lachen. Dann drehte ich mich zurück und sah meiner Mama ins strinrunzelnde Gesicht. „Wer war das?“ fragte sie neugierig. „D.“ antwortete ich, „D. P.“ „Ach neeee…“ platzte es aus ihr heraus, „….der sieht ja richtig schnuckelig und nett aus!“ Da konnte ich plötzlich kaum noch an mich halten und pruste ein schallendes Gelächter aus. „Nein Mama!“ antworte ich schließlich, „er ist einfach nur ein Arschloch!!!“ und das Lachen verstummte.


Ist es nicht immer wieder interessant, dass es Menschen gibt, die einem einfach nicht aus dem Sinn gehen. Menschen, die man vielleicht kaum kannte. Menschen, wie der junge Mann, der mir in Hamburg in den Einkaufswagen fiel (Hallo B.) - oder der andere junge Mann, der mir in München das schönste Gespräch aller Zeiten geschenkt hat (Danke M.) - oder halt der Ex-Freund der mich damals beschissen hat.
Es sind alles Menschen an die man in den urkomischsten Situationen plötzlich denken muss. Bei denen man sich fragt, was wohl aus ihnen geworden ist, oder sich einfach nur an die (schöne) Zeit erinnert und nochmal „nachfühlt“ welche besonderen Gefühle man damals mit Ihnen geteilt hat.
Zu guter Letzt sind es auch die Menschen, die man nach Jahren wiedertrifft und nicht genau weiß, wie man reagieren soll. Dann gehen sie und man vergisst sie, bis man vielleicht in irgendwelchen urkomischen Situationen wieder an sie erinnert wird…

Burning mind
Daily Inferno
Dr.Inferno
Funferno
Inferno on tour
Inferno reloaded
Lyric inferno
Sticks on fire
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren